Post by Maximilien de RobespierreEhem räusper, so hatte ich das nicht sagen wollen. Ich wollte einen
Vergleich in der folgenden Form anstellen. Ein mystisches Erlebnis ist
genauso, wie eine Wahnvorstellung für einen Außenstehenden nicht
direkt erfahrbar, Trotzdem werden Wahnvorstellungen als Real
anerkannt. Der Mystiker wird im Normalfall durchaus zwischen dem, was
die Umwelt als Existent erkennen kann und seine mystischen Erlebnisse
differenzieren können. Der Wahn ist etwas krankhaftes, was der
Erkrankte nicht mehr beeinflussen kann und wo er drunter leidet.
Andererseits beharren Mystiker darauf, dass ihre Wahrnehmungsweise auch
nicht ihrer Kontrolle unterliegt, sondern eine permanente Adaptierung
darstellt. (Wenn man mal gelernt hat, Leerheit oder So-Heit oder Gott
oder was auch immer zu erkennen, dann gibt es kein Zurück).
Und sie beharren darauf, dass ihre Wahrnehmungsweise der Realität
entspricht, während die unerleuchtete Perspektive eine Täuschung sei.
Wie differenziert ist das denn?
Was das Leid betrifft - das, was mich an der ganzen Geschichte
interessiert - das wird von Mystikern so dargestellt: es sei zwar da,
aber es hafte nicht mehr an ihnen an - oder so, dass alte karmische
Ursachen noch ihre Früchte tragen würden, aber keine neuen dazukommen
würden usw. Das Haus brennt, aber es ist leer, nicht-ich, lassen wirs
einfach niederbrennen usw - was nach meiner Auffassung fehlgeleitet ist:
der Clou am erkennen des Leids ist doch, etwas zu unternehmen, damit es
beendet wird.
Soweit meine Kritik an der mystischen Erleuchtung.
Post by Maximilien de RobespierrePost by Monkey Mind"Ich bin ja gar nicht ich, ich bin Gott (Leerheit, Buddha-Natur,
Gewahrsein, reines Bewusstsein, das Universum, "du bist das", "ich
bin der ich bin") - und daher unzerstörbar". Im Monotheismus darf
man das nicht aussprechen. Im Buddhismus auch nicht, weil ja das
"nicht-selbst" zum Dogma erhoben wurde. Das ist der Grund, warum es
so unaussprechlich ist.
Klug gedacht. Grübel???? Trotzdem ein Einwand. Kann man denn
ausschließen, das nicht doch etwas, vielleicht etwas dessen wir uns
gar nicht bewusst sein können von uns, zwar wandelbar aber dennoch
kontinuierlich Existent bleibt?
Wandelbar aber doch ewig. Diese Art von Orwellschem Zwiedenken ist
charakteristisch für die Unaussprechlichkeit der mystischen Erfahrung.
Weil, wenn mans ausspricht, klingt es doch ziemlich platt.
Post by Maximilien de RobespierreEs ist doch, philosophisch gesehen, unmöglich festzulegen wann unsere
Existenz wirklich beginnt und endet.
Ist das denn wichtig - also pragmatisch von Bedeutung, um mein Erleben,
meine Wahrnehmungsweise (hier vor der Tastatur, jetzt wo ich dies
schreibe) zu erforschen? Oder ist es eine Ablenkung, damit ich meine
Wahrnehmungsweise nicht gleich jetzt untersuchen muss?
Spekulationen über Anfang und Ende und andere Letzte Dinge führen mich
doch weg in die ferne Vergangenheit oder Zukunft, in Situationen, die
vollkommen imaginär sind, ganz im Gegensatz zu diesem Moment, in dem ich
Radio spielen höre und meine Finger die Tasten berühren und ich den
Bildschirm sehe und mir Gedanken zu Deinem Beitrag mache - das ist real,
damit bin ich jetzt konfrontiert, das ist das einzige, was mir zur
Untersuchung vorliegt, weil es vor meiner Nase ist.
Post by Maximilien de RobespierreDie biologisch-medizinischen Festlegungen sind nützlich und auch so in
Ordnung aber Philosophisch durchaus hinterfragbar. Dazu kommt die
Beobachtung das alle Dinge einer ständigen Transformation unterworfen sind.
Wo ist der fundamentale Unterschied zwischen der Beobachtung, dass alle
Dinge einer ständigen Transformation unterworfen sind, und der
Beobachtung, dass biologisch-medizinische Festlegungen nützlich sind
aber hinterfragbar?
Sind doch beides Beobachtungen, die ich jetzt mache, hier auf meinem
Bürostuhl, oder nicht?
Wenn ich eine imaginäre Situation konstruiere (könnte doch sein, dass es
so wäre) und mich dann hineinbegebe, kann ich mir prima vormachen, ich
sei nicht mehr auf dem Bürostuhl...
Post by Maximilien de RobespierreIch stehe im Prinzip an folgendem Punkt. Ich kann nicht ausschließen
das ein Teil dieses Quarkes vielleicht doch kein Quark
ist. Genausowenig kann ich auch Deinen Standpunkt völlig verneinen. Im
Grunde kann ich beides Akzeptieren und abwarten.
Worauf willst Du warten? Der Quark wird bestimmt nicht von selber
zugeben, er sei Quark. Er besteht schliesslich gerade aus dieser Geste,
die über sich selbst hinausdeutet (und dadurch erreicht, dass man ihn
selbst nicht so genau anschaut).
Den mystischen Quark durchschauen muss jeder einzelne - wie und ob er
das macht, ist ihm überlassen. Ich habe es z.B. durch intensive
Beschäftigung mit meinen mystischen Zuständen gemacht, indem ich sie
untersucht und hinterfragt habe, ob sie halten, was sie versprechen.
Siehe selbst, verlass Dich bloss nicht auf mein Geschreibsel hier.
Post by Maximilien de RobespierrePost by Monkey MindPost by Maximilien de RobespierreVielleicht assoziieren wir Unterschiedliche Dinge mit diesem
Begriff. Für mich ist Mystisch ein Teil unseres Daseins. Das Dasein
ohne dem ist für mich jedenfalls etwas zu einseitig. Ich meine mit
Mystisch Erfahrungen aus der Meditation, die Überwältigend aber nicht
verbal vermittelbar sind. Ich möchte sie nicht missen.
Sie sind jedenfalls endlos faszinierend. Und, sorgfältig untersucht,
auch sehr nützlich bei der Befreiung.
Allerdings. Diese Erfahrungen weisen über einen hinaus. Sie geben
einen einen überwältigenden Eindruck von der Realität und dem
Kosmos. Hierdurch wird auch das Trugbild vom eigenen Ich kräftig
korrigiert.
Das ist schon so: was die Empfindung von "ich selbst" betrifft, die wird
dadurch klar durchleuchtet und entlarvt.
Ich habe in der Folge allerdings diesen Effekt beobachtet: "Oh, ich bin
gar nicht, was ich meinte zu sein, das sehe ich jetzt, angesichts der
Realität des Kosmos. Bis jetzt war 'ich' das Grösste auf der Wiese,
jetzt weg damit, der Kosmos ist viel besser - muss er ja sein, wenn er
'mich' besiegt hat."
Und so wird das Trugbild vom eigenen Ich durch das überwältigende
Trugbild eines kosmischen, unpersönlichen Sein ersetzt.
Das Selbst zu durchschauen ist ein grosser Schritt - die (kosmische,
unpersönliche) Seele, das gefühlte Sein, auch zu durchschauen, ist
einfach der nächste.
Mit den Göttern (egal unter welchem Namen) spielen ist sehr schön. Aber
Post by Maximilien de RobespierrePost by Monkey MindPost by Maximilien de RobespierrePost by Mathias GrewinMögen alle Wesen glücklich sein.
Sind sie aber leider nicht. ;-(
Trotz, wegen oder ungeachtet der überwältigenden, verbal nicht
vermittelbaren Meditationserlebnisse? ;)
Na ja. Es gibt auch noch andere Lebewesen, auch wenn ich mit ihnen
Kosmisch vernetzt bin.
Ja, was ist denn das eigentlich für ein Netz? Woraus besteht es, wie
funktioniert es, wie verstricke ich mich darin, warum erzeugt es Kummer
und Übelwollen? Lohnt sich, das unter die Lupe zu nehmen.
Post by Maximilien de RobespierreDanke Dir. Ein schöner Beitrag ;-)
Und gute Diskussion. Bin gespannt, wohin sie führt.
Cheers,
Florian
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Jedermann geht aus dem Leben, wie wenn er eben erst geboren wäre
-- Epikur (Spruchsammlung 60)